Die Regulierung von Sorgfaltspflichten entlang der globalen Lieferketten und die damit einhergehenden Anforderungen an Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich fortentwickelt. Drei zentrale Rechtsakte stehen dabei im besonderen Fokus: die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR), das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD). Von den betroffenen Unternehmen werden erhebliche Anstrengungen gefordert, um die Vorgaben einhalten zu können. Parallel führen offene Fragen zum Status Quo und zu künftigen Entwicklungen sowie die anhaltenden politischen Diskussionen zu Verunsicherungen und fehlender Planungssicherheit bei den betroffenen Unternehmen.
EU-Entwaldungsverordnung (EUDR)
Die EUDR (Verordnung (EU) 2023/1115) soll dazu beitragen, weltweit Wälder vor Entwaldung und Schädigung zu schützen. Dieses Ziel soll durch die Regulierung der Vermarktung bestimmter Rohstoffe und der aus diesen Rohstoffen gewonnenen Produkte auf dem Markt der EU gefördert werden. Zu den relevanten Rohstoffen gehören Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalmen, Kautschuk, Soja und Holz. Zudem sind unter deren Verwendung hergestellte Erzeugnisse relevant, soweit diese in Anhang I der Verordnung aufgeführt werden. Zu diesen Erzeugnissen gehören z.B. Schokolade, Luftreifen aus Kautschuk, Spanplatten und Papier.
Die relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse dürfen nur dann in den Verkehr gebracht oder auf dem Markt der EU bereitgestellt oder ausgeführt werden, wenn sie entwaldungsfrei sind. Das heißt, dass die Rohstoffe nicht auf Flächen erzeugt worden sein dürfen, die nach dem 31.12.2020 entwaldet wurden. Des Weiteren müssen sie unter Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften des Herkunftslandes produziert worden sein. Zudem muss für die Rohstoffe und Erzeugnisse eine Sorgfaltserklärung vorliegen, mit der die Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen dokumentiert werden kann. Marktteilnehmer und auch Händler entsprechender Produkte müssen dafür Sorge tragen und nachweisen können, dass ihre Produkte den Anforderungen der EUDR entsprechen. Insbesondere dem Markteilnehmer, als diejenige Person, die relevante Produkte auf dem EU-Markt in den Verkehr bringt oder ausführt, treffen diesbezüglich umfassende Sorgfaltspflichten. Hierzu müssen unter anderem sehr detaillierte Informationen über die Herkunft und Lieferanten der Produkte bis hin zu einer Geolokalisierung der Grundstücke, auf denen die Rohstoffe erzeugt wurden, gesammelt, darauf basierende Risikoanalysen durchgeführt, Maßnahmen zur Risikoprävention ergriffen sowie jährlich Bericht erstattet werden.
Aufschub des Anwendungsbeginns
Eigentlich sollten die Regelungen der EUDR mit dem 30.12.2024 für große und mittlere Unternehmen und mit dem 30.06.2025 dann auch für Klein- und Kleinstunternehmen zur Anwendung gelangen. Aufgrund von bestehenden Unklarheiten hinsichtlich der Umsetzung der EUDR und erheblichen Bedenken von einzelnen EU-Mitgliedstaaten, Wirtschaftsverbänden und auch Drittländern wurde der Anwendungsbeginn der Verordnung nunmehr um jeweils ein Jahr auf den 30.12.2025 bzw. den 30.06.2026 aufgeschoben.
Keine Veränderungen des Regelungsinhalts
Konkrete inhaltliche Änderungen der Verordnung, wie sie zunächst vom Europäischen Parlament gefordert wurden, haben sich nicht durchsetzen können. Insbesondere auf die Einführung einer „No-Risk“-Kategorie in das Länder-Benchmarking wurde letztlich verzichtet. Spätestens bis zum 30.06.2025 soll jedoch das Benchmarking der Herkunftsländer durch die EU-Kommission mit der Einstufung der Länder bezüglich eines normalen, niedrigen und hohen Risikos für Entwaldung vorliegen.
Aktualisierte FAQ, Leitlinien und EUDR Information System
Um Unternehmen bei der Vorbereitung ihrer Maßnahmen zur Umsetzung der Verordnung zu unterstützen und Anwendungsfragen zu klären, hat die EU-Kommission ihre FAQ zur EUDR im Oktober 2024 aktualisiert und auch Leitlinien mit weiteren Informationen bereitgestellt.
Seit Dezember vergangenen Jahres ist auch das EUDR Information System zugänglich, über das die Sorgfaltserklärungen der Marktteilnehmer digital eingereicht werden können. Dort werden auch weitere Anwendungshilfen und Schulungsvideos angeboten.
Fazit
Die Verschiebung des Anwendungsbeginns sollten die betroffenen Unternehmen nutzen und ihre bereits begonnenen Implementierungsmaßnahmen fortsetzen oder spätestens jetzt mit solchen zu beginnen.
Erfahrungsgemäß ist eine längere Vorbereitungszeit notwendig, um angemessene organisatorische Maßnahmen und Prozesse in das Risikomanagementsystem zu integrieren und umzusetzen. Insbesondere die Umsetzung effektiver Maßnahmen zur Rückverfolgbarkeit der Lieferketten und zur Überprüfung der Einhaltung der relevanten Rechtsvorschriften im Herkunftsland bedürfen eines erheblichen Aufwands.
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)
Bereits seit Januar 2023 gilt das LkSG für in Deutschland ansässige Unternehmen mit mehr als 3.000 Arbeitnehmern und seit Januar 2024 auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen, Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die Einhaltung von Menschenrechten in ihren Lieferketten zu erfüllen und entsprechende Strategien und Maßnahmen in ihre Risikomanagementsysteme zu integrieren. Dazu gehören die Durchführung von Risikoanalysen, die Implementierung von Präventionsmaßnahmen, die Ergreifung von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Verstößen, die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens und die jährliche Berichterstattung über die ergriffenen Maßnahmen zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten.
Politische Diskussionen über eine Aufhebung
Auch nach der Implementierung des LkSG gibt es weiterhin politische Diskussionen über eine Aufhebung des Gesetzes. Führende Politiker haben sich öffentlichkeitswirksam für eine Abschaffung ausgesprochen. Entsprechende Gesetzesentwürfe im Bundestag wurden jedoch bislang stets abgelehnt. Die weitere Entwicklung nach der anstehenden Bundestagswahl unter einer neuen Bundesregierung bleibt daher abzuwarten.
Verschiebung der Stichtagsregelung
Aufgrund der politischen Diskussionen und auch der Entwicklungen zur Umsetzung der EU-rechtlichen Vorgaben für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen hat das BAFA die Stichtagsregelung bezüglich des Vorliegens und der Veröffentlichung der Berichte nach dem LkSG um ein Jahr verschoben. Erstmalig zum 01.01.2026 wird das BAFA die Einhaltung der Berichtspflicht und deren Übermittlung an das BAFA prüfen. Sollte die Übermittlung eines Berichts an das BAFA und dessen Veröffentlichung nach dem LkSG bereits vor diesem Zeitpunkt fällig gewesen sein, wird das BAFA das Fristversäumnis nicht sanktionieren, vorausgesetzt, der Bericht liegt dem BAFA spätestens zum 31.12.2025 vor.
Fazit
Die weitere Entwicklung und der politische Diskurs zum LkSG nach der Bundestagswahl sollte von den Unternehmen beobachtet werden. Trotz der politischen Diskussionen über die Aufhebung des LkSG sowie der Verschiebung des Stichtages ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das LkSG ein geltendes Gesetz ist und die Sorgfaltspflichten nach dem LkSG von den betroffenen Unternehmen zu erfüllen sind. Verstöße gegen das LkSG können geahndet werden. Der Rechenschaftsbericht des BAFA für das Jahr 2023 macht deutlich, dass das BAFA die Aufgabe als oberste Kontroll- und Durchsetzungsbehörde gewissenhaft wahrnimmt.
EU-Lieferkettenrichtline (CSDDD)
Die EU-Lieferketterichtlinie bzw. CSDDD (Richtlinie (EU) 2024/1760), in Kraft getreten im Juli 2024, richtet sich an die EU-Mitgliedstaaten, die darin enthaltenen Rahmenvorgaben und Ziele hinsichtlich der Verbesserung der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Standards in den Lieferketten von Unternehmen in der gesamten EU durch entsprechende Gesetze bis zum 26.07.2026 in nationales Recht der EU-Mitgliedstaaten umzusetzen. Es ist bislang vorgesehen, dass beginnend mit dem 26.07.2027 die Regelungen, zeitlich gestaffelt in drei Stufen über 2 Jahre hinweg, auf Unternehmen mit Sitz in der EU Anwendung finden. Der gestaffelte Anwendungsbeginn richtet sich nach der Anzahl der Beschäftigten und des weltweiten Jahresnettoumsatzes.
Aber auch für drittländische Unternehmen, die bestimmte Jahresnettoumsatzschwellen in der EU überschreiten, werden die Regelungen, ebenfalls zeitlich gestaffelt, in drei Stufen zur Anwendung gelangen.
Stufe 1 zum 26.07.2027
- EU-Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und einem weltweiten Jahresnettoumsatz von mehr als 1,5 Mrd. €
- Drittländische Unternehmen mit einem Jahresnettoumsatz von mehr als 1,5 Mrd. € innerhalb der EU
Stufe 2 zum 26.07.2028
- EU-Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und einem weltweiten Jahresnettoumsatz von mehr als 900 Mio. €
- Drittländische Unternehmen mit einem Jahresnettoumsatz von mehr als 900 Mio. € innerhalb der EU
Stufe 3 zum 26.07.2029
- EU-Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem weltweiten Jahresnettoumsatz von mehr als 450 Mio. €
- Drittländische Unternehmen mit einem Jahresnettoumsatz von mehr als 450 Mio. € innerhalb der EU
Anpassungsbedarf des LkSG
In Deutschland wird das LkSG richtlinienkonform angepasst werden müssen. Die Regelungen der EU-Lieferkettenrichtlinie sind den Regelungen im LkSG in weiten Teilen ähnlich, dennoch bestehen auch Unterschiede. So wie auch im LkSG verankert, müssen nach der EU-Lieferkettenrichtlinie Sorgfaltspflichten erfüllt und Strategien und geeignete Maßnahmen in die Risikomanagementsysteme einbezogen werden. Bestehende Risken in der Lieferkette sind zu identifizieren und zu bewerten und Präventions- und Abhilfemaßnahmen sind zu ergreifen, ein Beschwerdemanagement ist einzurichten und es besteht eine jährliche Berichtspflicht.
Im Vergleich zum LkSG legt die EU-Lieferkettenrichtlinie jedoch einen stärkeren Fokus auf umweltschutzbezogene Sorgfaltspflichten, was Unternehmen dazu verpflichtet, nicht nur menschenrechtliche, sondern auch ökologische Risiken in ihren Lieferketten zu identifizieren und zu minimieren. Unter anderem haben die Unternehmen einen Plan zur Minderung der Folgen des Klimawandels im Kontext mit ihrem Business zu erstellen.
Im Gegensatz zum LkSG in seiner bisherigen Fassung sieht die EU-Lieferkettenrichtlinie eine zivilrechtliche Haftung bei Verstößen gegen die Pflicht zur Verhinderung oder Behebung von negativen Auswirkungen vor, was bedeutet, dass Unternehmen nach Umsetzung der Richtlinie auch mit Schadensersatzforderungen von geschädigten Personen konfrontiert werden können.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zum LkSG ist im Anwendungsbereich der EU-Lieferkettenrichtlinie zu sehen. Dieser ist aufgrund der hohen Umsatzschwellenwerte deutlich eingeschränkter als beim LkSG. Ob es bei der Anpassung des LkSG zu einer entsprechenden Einschränkung des jetzigen Anwendungsbereichs kommen wird, ist jedoch mehr als fraglich. Denn aufgrund des in der Lieferkettenrichtlinie verankerten Verschlechterungsverbots darf das Schutzniveau bereits bestehender nationaler Gesetze grundsätzlich nicht herabgesenkt werden.
Vereinfachung und Entbürokratisierung
Die EU-Kommission hat angekündigt, am 26.02.2025 ihren Vorschlag zur sogenannten „Omnibus-Verordnung“ zu veröffentlichen. Voraussichtlich wird dies jedoch erst im März erfolgen. Neben Vorschlägen zur Vereinfachung und Entbürokratisierung der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) und die EU-Taxonomie-Verordnung steht auch die EU-Lieferkettenrichtlinie im Fokus. Eine Abkehr vom grundsätzlichen Regelungsinhalt der Rechtsakte wird von der EU-Kommission vermutlich nicht erwartet werden können, jedoch sollen weitreichende Vereinfachungen erfolgen. In Betracht gezogen werden Erleichterungen, die die redundanten Berichtsanforderungen aus den genannten Rechtsakten reduzieren. Ebenso steht die Verschiebung des Anwendungsbeginns zumindest bezüglich der Berichtspflichten, die Beschränkung des Anwendungsbereichs und eine deutliche Reduktion der zu berichtenden Datenpunkte im Mittelpunkt der Diskussionen. Auch sind gezielte Maßnahmen geplant, die den „trickle-down“-Effekt der Berichtspflichten auf kleinere Unternehmen in der Lieferkette stoppen, damit diese nicht im Zusammenhang mit den Berichtspflichten größerer Unternehmen indirekt belastet werden.
Fazit
Ob die angekündigten, weitreichenden Vereinfachungen letztlich auch zu einer substantiellen Entbürokratisierung führen werden, wird sich zeigen. Am 29.01.2025 veröffentlichte die EU-Kommission den „Competitiveness Compass for the EU“, der auch Hinweise auf die Vereinfachungsbestrebungen im Hinblick auf die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD), die EU-Taxonomie-Verordnung und die EU-Lieferkettenrichtlinie enthält. Der Druck aus der Wirtschaft und der Politik, dass die Reformen zu umfassenden Erleichterungen führen und insbesondere Planungssicherheit geschaffen wird, ist zumindest hoch.