Anstehende Verschärfungen bei außenwirtschaftsrechtlichen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten

Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1226 zur Harmonisierung des Sanktionsstrafrechts (EU-Richtlinie Sanktionsstrafrecht) werden demnächst bedeutsame Änderungen und Ergänzungen der §§ 18 und 19 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) erfolgen und zu Verschärfungen der Sanktionierung von außenwirtschaftsrechtlichen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten führen.

Hintergrund der Gesetzesänderung

Ziel der EU-Richtlinie Sanktionsstrafrecht ist eine europaweit einheitliche Durchsetzung von Sanktionen und die Erhöhung der Effektivität bei der Ahndung von Verstößen gegen restriktive Maßnahmen der EU. Im Fokus stehen hierbei der Schutz der Integrität des Binnenmarkts, die Gewährleistung der Rechtssicherheit und die Harmonisierung der Strafrahmen in den Mitgliedstaaten der EU.

Die Bundesregierung hat zur fristgerechten Umsetzung der EU-Richtlinie Sanktionsstrafrecht bis zum 20. Mai 2025 am 27. November 2024 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Rechtsvorschriften (Gesetzentwurf) eingebracht.

Der Gesetzentwurf orientiert sich im Wesentlichen an dem von der EU-Richtlinie Sanktionsstrafrecht vorgegebenen Mindeststandard. Insbesondere erfasst er keine Sanktionstatbestände, die erst nach Inkrafttreten der EU-Richtlinie Sanktionsstrafrecht erstmals in EU-Sanktionsverordnungen zu finden waren, wie z.B. die Verpflichtung zur Vereinbarung einer „No-Russia-Clause“ (Artikel 12g der Verordnung (EU) Nr. 833/2014).

Verschärfungen der Straftatbestände nach § 18 AWG

Neue umgehungsbezogene Tatbestände

Der neu eingeführte § 18 Absatz 1 Nummer 3 AWG sieht neue umgehungsbezogene Straftatbestände vor. Strafbar ist danach unter anderem die Verschleierung von Vermögenswerten oder die Bereitstellung falscher Informationen zur Verschleierung der Eigentümer wirtschaftlicher Ressourcen zum Zweck der Umgehung eines Verbotes.

Zudem benennt § 18 Absatz 6a AWG Regelbeispiele besonders schwerer Fälle bei bestimmten Umgehungstatbeständen. Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus aber keinen allgemeinen Tatbestand der Sanktionsumgehung vor, weil eine als „Umgehung“ bezeichnete Umleitung von Waren ohnehin als Verstoß gegen das Ausfuhrverbot nach § 18 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a AWG geahndet werden kann.

Leichtfertige Verstöße bei Dual-Use-Gütern

Bisher können nicht vorsätzliche Verstöße gegen Verbote und Genehmigungspflichten auf Grundlage von EU-Embargos nur als Ordnungswidrigkeit nach § 19 Absatz 1 OWiG geahndet werden, die maximale Geldbuße beträgt nach § 19 Absatz 6 AWG bis zu 500.000 Euro.

Nach § 18 Absatz 8a AWG des Gesetzentwurfs sollen künftig zwar nicht vorsätzlich, aber dennoch leichtfertig begangene Verstöße gegen Verbote und Genehmigungspflichten auf Grundlage von EU-Embargos im Zusammenhang mit gelisteten Dual-Use-Gütern (Anhänge I und IV der Verordnung (EU) 2021/821) mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden können. Dies stellt eine erhebliche Verschärfung dar.

Besonders schwierig ist die Bewertung, wann ein Verstoß als „leichtfertig“ einzustufen ist. Eine gesetzliche Definition existiert nicht. Die der außenwirtschaftsrechtlichen Literatur zu entnehmenden Definitionen stellen regelmäßig darauf ab, dass der Täter mit besonderem Leichtsinn oder Gleichgültigkeit gegenüber seinen Pflichten handelt und dabei außer Acht lässt, was ihm und jedem Dritten deutlich erkennbar ist.

Meldepflichten

Die Meldepflichten nach § 18 Absatz 5a AWG werden erweitert. Neu ist die mögliche Strafbarkeit bei Verletzung der sogenannten „Jedermannspflicht“ im Zusammenhang mit bei Ausübung einer Berufspflicht erlangten Informationen, die einzufrierende Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen betreffen. Ausgenommen hiervon sind rechtsberatende Berufe, sofern diese Informationen in ihrer beruflichen Eigenschaft erlangt wurden (§ 18 Absatz 13 AWG). Dies betont die Wichtigkeit der Abgrenzung zwischen beruflicher Verschwiegenheitspflicht und Meldepflicht.

Streichung der Karenzzeit

Die bislang in § 18 Absatz 11 AWG vorgesehene zweitägige Karenzzeit nach Bekanntmachung neuer EU-Sanktionsrechtsakte entfällt künftig. Diese Regelung wurde als europarechtswidrig eingestuft, da sie von den Vorgaben der EU-Sanktionsrichtlinie abweicht.

Erhöhung des Bußgeldrahmens bei Verstößen durch Unternehmen

Eine bedeutende Änderung betrifft die Erhöhung des Rahmens für Bußgelder gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen gemäß §§ 30, 130 OWiG bei Verstößen durch Unternehmen. Der Höchstbetrag wird in § 19 Absatz 7, 8 AWG für vorsätzliche Straftaten nach § 18 Absatz 1 AWG auf bis zu 40 Millionen Euro angehoben. Diese Verschärfung verdeutlicht die gestiegenen Anforderungen an die Sorgfaltspflichten und soll eine abschreckende Wirkung entfalten.

Konsequenzen der Gesetzesänderung für Unternehmen

Auswirkungen der Verschärfungen bei den Straftatbeständen

Die Neuerungen bedeuten insbesondere für Unternehmen, die mit Dual-Use-Gütern handeln, eine deutliche Verschärfung der Compliance-Anforderungen. Leichtfertiges Verhalten, das bislang lediglich ordnungswidrig war, kann nun strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Unternehmen müssen ihre internen Kontrollsysteme weiterentwickeln und sicherstellen, dass Mitarbeiter umfassend über die neuen Vorschriften geschult werden. Auch die Rolle von Exportkontrollbeauftragten gewinnt weiter an Bedeutung.

Herausforderungen durch unbestimmte Rechtsbegriffe

Die Gesetzesänderungen enthalten zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe wie „Leichtfertigkeit“, deren Auslegung und Anwendung in der Praxis eine Herausforderung darstellen könnten. Unternehmen und ihre Compliance-Abteilungen müssen daher verstärkt Schulungen und Prüfmechanismen etablieren.

Erhöhung des Bußgeldrahmens

Besonders für große Unternehmen mit internationaler Geschäftstätigkeit stellt dies eine erhebliche Herausforderung dar, da Compliance-Verstöße nun nicht nur das Image, sondern auch die finanzielle Stabilität gefährden können. Es wird empfohlen, Compliance-Systeme umfassend zu überprüfen und anzupassen, um potenzielle Risiken frühzeitig zu identifizieren und zu minimieren.

Fazit

Die Änderungen des AWG setzen die EU-Richtlinie Sanktionsstrafrecht um und verschärfen das Sanktionsrecht erheblich. Für Unternehmen wird es zunehmend wichtiger, ihre internen Kontrollsysteme zu optimieren und die Einhaltung außenwirtschaftsrechtlicher Vorschriften sicherzustellen.

Zusätzlich wird die Bedeutung einer stärkeren Sensibilisierung der Belegschaft für Sanktionsrecht hervorgehoben. Unternehmen sollten daher neben technischen Lösungen auch auf kontinuierliche Weiterbildung setzen, um die Einhaltung der neuen Regelungen sicherzustellen.

Auch wenn der genaue Fahrplan in Bezug auf den Gesetzentwurf vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahlen unklar ist: Die EU-Richtlinie Sanktionsstrafrecht muss bis zum 20. Mai 2025 umgesetzt sein, so dass mit dem Inkrafttreten der Neuerungen im AWG bis zu diesem Zeitpunkt zu rechnen ist. Die zeitnahe Umsetzung der Gesetzesänderungen in die Unternehmenspraxis ist essenziell, um rechtliche Risiken zu minimieren.