EU-Sanktionen Russland/Belarus: EU-Kommission veröffentlicht FAQs zur Bemühenspflicht

Nach langem Warten hat die EU-Kommission Ende November Erläuterungen zur sogenannten Bemühenspflicht nach Art. 8a der Verordnung (EU) 833/2014 veröffentlicht und ihre FAQs zu den EU-Sanktionen gegenüber Russland entsprechend ergänzt. Den betroffenen EU-Wirtschaftsbeteiligten soll damit eine Guideline zur Umsetzung der Bemühenspflicht an die Hand gegeben werden.

Bemühenspflicht gegenüber drittländischen Tochtergesellschaften

Mit dem 14. Sanktionspaket hat die Europäische Union im Juni dieses Jahres eine  Bemühenspflicht eingeführt, nach der die EU-Wirtschaftsbeteiligten sich nach besten Kräften bemühen müssen, sicherzustellen, dass Tochtergesellschaften außerhalb der EU, die in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle stehen, nicht an Tätigkeiten teilnehmen, mit denen die Embargomaßnahmen der Verordnung (EU) 833/2014 gegenüber Russland und die Embargomaßnahmen der Verordnung (EG) 765/2006 gegenüber Belarus untergraben werden.  

Das 14. Sanktionspaket verfolgt unter anderem das Ziel, die Wirksamkeit der EU-Embargosanktionen gegenüber Russland und Belarus zu verbessern und den anhaltenden Beschaffungsaktivitäten sowie der Umgehung der Sanktionen effektiver entgegenzuwirken.

Art. 8a der Verordnung (EU) 833/2014 und Art. 8i der Verordnung (EG) 765/2006 verpflichten daher die EU-Wirtschaftsbeteiligten, mittels geeigneter und angemessener Maßnahmen auf ihre drittländischen Tochtergesellschaften bestmöglich einzuwirken, um ein Untergraben der Embargomaßnahmen der jeweiligen Verordnung durch Handlungen der Tochtergesellschaften zu verhindern.

Die neuartige Regelung konfrontiert die betroffenen EU-Wirtschaftsbeteiligten mit zahlreichen Fragestellungen zum Anwendungsbereich, Umfang und Umsetzung dieser Bemühenspflicht.

Am 22. November 2024 hat die EU-Kommission nunmehr ihre „Consolidated FAQs on the implementation of Council Regulation No 833/2014 and Council Regulation No 269/2014“ ergänzt und erstmals nähere Erläuterungen zur Verpflichtung nach Art. 8a der VO (EU) 833/2014 veröffentlicht. Die Erläuterungen können analog auch zur entsprechenden Verpflichtung nach Art. 8i der Verordnung (EG) 765/2006 herangezogen werden. 

Mit den FAQs hat die EU-Kommission zu einzelnen Fragestellungen hinsichtlich des Anwendungsbereichs, des Umfangs und der Umsetzung der Bemühenspflicht Stellung bezogen. Größtenteils gehen diese Erläuterungen jedoch nicht wesentlich über die Ausführungen in den Erwägungsgründen zur Einführung des Art. 8a in der Änderungsverordnung (EU) 2024/1745 hinaus, während anderweitige zentrale Fragestelllungen nicht thematisiert werden.

Die Erläuterungen der EU-Kommission betreffen im Wesentlichen die folgenden Aspekte:

Tätigkeiten, welche die Embargomaßnahmen „untergraben“

Zur Erläuterung des Begriffs „Untergraben“ greift die EU-Kommission auf die Ausführungen unter dem Erwägungsgrund 29 der Änderungsverordnung (EU) 2024/1745 zurück und grenzt das Untergaben vom Begriff der Umgehung ab.

Während Umgehungen verdeckte Handlungen darstellen, die nach ihrem äußeren Anschein nicht den Tatbestand einer Embargorestriktion erfüllen, aber im Ergebnis dem Ziel der jeweiligen Verbotsnorm zuwiderlaufen, umfasse das Untergraben Handlungen, die letztlich eine Wirkung entfalten, die mit den Embargomaßnahmen eigentlich unterbunden werden sollen.

Eine tatsächlich klarstellende Konkretisierung des Begriffs „Untergraben“ ist der EU-Kommission damit nicht gelungen. Insbesondere ist weiterhin nicht geklärt, ob ein Untergraben auch dann vorliegt, wenn das drittländische Tochterunternehmen an Handlungen beteiligt ist, die keinen Bezug zur EU aufweisen und für das drittländische Tochterunternehmen der gesetzlich festgelegte Geltungsbereich der Embargoverordnung nicht eröffnet ist.

Bemühenspflicht auch gegenüber russischen Tochtergesellschaften

Wie erwartet, stellt die EU-Kommission ausdrücklich klar, dass die Verpflichtung nach Art. 8a der Verordnung (EU) 833/2014 für die EU-Wirtschaftsbeteiligten auch gegenüber deren Tochtergesellschaften in Russland zur Anwendung kommt und nicht zwischen unterschiedlichen Drittländern differenziert wird. Auch hebt die EU-Kommission erneut hervor, dass damit keine weitergehende Verpflichtung für die drittländischen Tochtergesellschaften selbst zur Einhaltung der EU-Embargomaßnahmen einhergeht. Die Bemühenspflicht nach Art. 8a der Verordnung (EU) 833/2014 trifft nur die EU-Wirtschaftsbeteiligten, die entsprechend auf ihre drittländischen Tochtergesellschaften einwirken müssen.

„Bemühungen nach besten Kräften“

In Ergänzung zu den in den Erwägungsgründen der Änderungsverordnung abstrakt dargestellten Anforderungen hinsichtlich geeigneter und notwendiger Maßnahmen, enthalten die FAQs nunmehr weitere Empfehlungen der EU-Kommission bezüglich der praktischen Umsetzung der Bemühenspflicht.

Danach sollen sich die betroffenen EU-Wirtschaftsbeteiligten zum einen ein Bild über die geschäftlichen Tätigkeiten der Tochtergesellschaften und die damit verbundenen potentiellen Risiken für Zuwiderhandlungen gegen die Embargomaßnahmen verschaffen. Zum anderen soll den Tochtergesellschaften nähergebracht werden, welche Tätigkeiten entsprechend risikobehaftet sind.

Dies könne gemäß den Vorschlägen der EU-Kommission durch Internal Compliance Programs und die Etablierung unternehmensweiter Compliance-Standards, spezifische Hinweise zu den Embargomaßnahmen und verpflichtende Schulungen erreicht werden. Die Einführung von Meldepflichten und von Eskalationsprozessen bei Hinweisen der Tochtergesellschaft auf Verstöße werden ebenfalls empfohlen. Als weitere Maßnahme könne nach Ansicht der EU-Kommission von der drittländischen Tochtergesellschaft sogar ein öffentliches Statement eingefordert werden, mit dem sie ihre Absicht bekundet, nicht an Tätigkeiten teilzunehmen, die die Gefahr bergen, dass die EU-Sanktionen untergraben werden.

Beschränkung auf durchführbare Maßnahmen

Die EU-Kommission erwartet in Anlehnung an die Erwägungsgründe der Änderungsverordnung nur die Umsetzung notwendiger Maßnahmen, soweit diese für die EU-Wirtschaftsbeteiligten auch durchführbar sind.

Im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung habe der EU-Wirtschaftsbeteiligte unter Berücksichtigung seiner Art, seiner Größe und weiterer relevanter Umstände die zu ergreifenden Maßnahmen zu definieren. Zu den relevanten Umständen gehören nach Auffassung der EU-Kommission unter anderem der Tätigkeitsbereich, das Risikoprofil, der Umsatz sowie verfügbare Complianceressourcen. Gleichzeitig macht die EU-Kommission deutlich, dass sie auch von kleineren Unternehmen angemessene Anstrengungen erwartet, wenn ihr bzw. der Tätigkeitsbereich der Tochtergesellschaft ein hohes Risiko aufweist.

Ein weiterer relevanter Umstand, der die Durchführbarkeit der Maßnahmen einschränkend beeinflussen könne, ist der Grad der Kontrolle über die drittländische Tochtergesellschaft. Die Kontrolle kann insbesondere durch entgegenstehende Rechtsvorschriften des Drittlands, in dem die Tochtergesellschaft ansässig ist, erheblich eingeschränkt sein. Entgegenstehende drittländische Rechtsvorschriften begrenzen dann auch den Umfang bzw. Inhalt möglicher Vorgaben gegenüber der jeweiligen Tochtergesellschaft oder können die Umsetzung der Vorgaben sogar vollständig verhindern.

Die Beschränkungen oder der Verlust der Kontrolle über die drittländische Tochtergesellschaft dürfe jedoch nicht vom EU-Wirtschaftsbeteiligten selbst herbeigeführt worden sein. In diesem Fall könne sich der EU-Wirtschaftsbeteiligte nicht mehr mit dem Argument des Kontrollverlustes exkulpieren. In diesem Zusammenhang weist die EU-Kommission ausdrücklich darauf hin, dass Russland praktisch nicht mehr als ein Land angesehen werden könne, in dem die EU-Wirtschaftsbeteiligten auf Rechtstaatlichkeit vertrauen dürften. Mit Blick auf Tochtergesellschaften in Russland könne vor diesem Hintergrund ein unzureichendes Risikomanagement und risikogeneigte Entscheidungen des EU-Wirtschaftsbeteiligten als Ursachen für einen selbst herbeigeführten Kontrollverlust gewertet werden.

Beispiele für Verstöße gegen die Bemühenspflicht

Hervorzuheben sind zudem die Ausführungen der EU-Kommission, in welchen Fällen sie davon ausgeht, dass ein EU-Wirtschaftsbeteiligter seiner Bemühenspflicht nicht ausreichend nachgekommen ist und folglich gegen Art. 8a der Verordnung (EU) 833/2014 verstößt.

Erkennt ein EU-Wirtschaftsbeteiligter, dass seine drittländische Tochtergesellschaft die EU-Embargomaßnahmen untergräbt und schreitet er gegen diese Tätigkeiten der Tochtergesellschaft nicht ein, liegt nach Ansicht der EU-Kommission ein Verstoß gegen Art. 8a der Verordnung (EU) 833/2014 vor.

Nach Auffassung der EU-Kommission verpflichtet Art. 8a der Verordnung (EU) 833/2014 den EU-Wirtschaftsbeteiligten zu verhindern, dass seine Tochtergesellschaft in Russland mit dort produzierten Gütern handelt, die einem EU-Einfuhrverbot unterliegen, auch wenn diese Güter an Unternehmen in Drittländer und nicht in die EU geliefert werden.

Des Weiteren liegt aus Sicht der EU-Kommission ein Verstoß vor, wenn die drittländische Tochtergesellschaft von einem EU-Ausfuhrverbot erfasste Güter herstellt, für die der EU-Wirtschaftsbeteiligte der Tochtergesellschaft zuvor zugehörige IP-Rechte übertragen hat und der EU-Wirtschaftsbeteiligte eine Lieferung der Güter nach Russland nicht verhindert.

Fazit: Trotz des fortbestehenden Klärungsbedarfs und der kritisch zu hinterfragenden Auslegung der EU-Kommission werden an die EU-Wirtschaftsbeteiligten erhöhte Compliance-Anforderungen gestellt

Der praktische Nutzen der FAQs im Hinblick auf weitere Hilfestellungen für die EU-Wirtschaftsbeteiligten zur Umsetzung der Bemühenspflicht hält sich größtenteils in Grenzen. Die zentrale Fragestellung, ob Art. 8a der Verordnung (EU) 833/2014 die EU-Wirtschaftsbeteiligten nur verpflichtet, bestmöglich sicherzustellen, dass die drittländischen Tochtergesellschaften sich nicht an Handlungen beteiligen, die auch in den Geltungsbereich der Verordnung (EU) 833/2014 fallen und einen Bezug zur EU aufweisen, ist noch nicht abschließend geklärt. Es bleibt zu hoffen, dass die EU-Kommission, wie angekündigt, zusammen mit den EU-Mitgliedstaaten für weitere Klarstellungen sorgen wird.

Dennoch ist erkennbar, dass zumindest aus Sicht der EU-Kommission Art. 8a der Verordnung (EU) 833/2014 weit auszulegen ist und an die EU-Wirtschaftsbeteiligten erhebliche Anforderungen gestellt werden.

Auch wenn betont wird, dass mit Art. 8a der Verordnung (EU) 833/2014 keine extraterritoriale Geltung der EU-Sanktionen einhergeht, ist mit Blick auf die Ausführungen der EU-Kommission nicht zu übersehen, dass die Bemühenspflicht in der Praxis faktisch zu einer extraterritorialen Anwendung von EU-Embargobestimmungen führt, da die EU-Wirtschaftsbeteiligten entsprechend auf ihre Tochtergesellschaften einwirken müssen, um ihr Haftungsrisiko zu minimieren.

Zwar spiegeln die FAQs nur die Rechtsauffassung der EU-Kommission wider und sind nicht rechtsverbindlich, dennoch dienen sie den Behörden der EU-Mitgliedstaaten als Orientierung. Solange keine weiteren Klarstellungen zur Anwendung und Umsetzung der Bemühenspflicht vorliegen, sollten daher auch die betroffenen EU-Wirtschaftsbeteiligten die aktuellen FAQs in Bezug auf ihre Maßnahmen gegenüber ihren drittländischen Tochtergesellschaften berücksichtigen.Gerne unterstützen wir Sie bei der Risikoanalyse der geschäftlichen Aktivitäten Ihrer drittländischen Tochtergesellschaften sowie der anschließenden Entwicklung und Umsetzung geeigneter und angemessener Maßnahmen zur Umsetzung der Bemühenspflicht.